Stairway to Heaven

Einer Diva sollte man auf keinen Fall zu nahe treten. Das Eingeständnis, das die Zeichen der Zeit ihre Spuren hinterlassen haben, ist weder für die große alte Dame noch für den Betrachter sonderlich angenehm. Um wie viel schmerzlicher, wenn es sich dabei um die Spanische Treppe handelt, dem wohl elegantesten und bekanntesten Aufstieg der Welt, der in Rom die Kirche Santa Trinità dei Monti oben mit der Piazza di Spagna unten verbindet. Das äußerst komplexe Bauwerk, dessen grandios sich ausbreitende Optik durch konvexe und konkave Treppen erzielt wurde, hat seit seiner Eröffnung Mitte des 18. Jahrhunderts und lange bevor Millionen von Touristen bergauf und bergab stiegen, die feinen Slipper von Päpsten und gekrönten Oberhäuptern, die High Heels von Stars wie Elizabeth Taylor und Sophia Loren dezent vornehmen Halt gewährt. Aber irgendwann ist es auch für ein Outdoor-Juwel zuviel: der Travertin, ein poröser Kalkstein, bröckelte und das Wurzelwerk aus benachbarten Gärten schob beharrlich die einzelnen Stiegen aus dem Gleichgewicht. Aber die Ewige Stadt hat immer wieder Galane hervorgebracht, die einer angeschlagenen Dame zu Hilfe eilen. In diesem Fall war es ein nicht minder vornehmer Nachbar. Das Maison Bulgari, das wenige Meter entfernt in der Via dei Condotti residiert, beschenkte sich zum 130. Jahr des Bestehens mit einer großzügigen Spende von 1,5 Millionen Euro, um die Spanische Treppe von Grund auf zu sanieren und wieder in ihrer einstigen Pracht erstrahlen zu lassen.

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Mit einer Lightshow und Tänzern, deren Choreographie diese einzigartige Bühne der Freitreppe in Szene setzte, feierte dieser Event allerdings mehr als eine geglückte Restaurierung. Siebzig Prozent des UNESCO-Weltkulturerbes befinden sich in Italien, und nicht wenige davon in Rom. Eine kuratorische Herausforderung, die für die von Schulden geplagte römische Stadtverwaltung allein nicht zu bewältigen ist. Und so übernahmen weltberühmte italienische Firmen wie Fendi, deren Familie die Instandsetzung des Trevibrunnens unterstützt oder Tod`s mit dem Kolosseum den Part des Sponsors. Wie Jean-Christophe Babin, der CEO von Bulgari, im Gespräch mit Quality Magazine, erklärt, erwächst diese Verantwortung aus dem Bewusstsein, ein Römer zu sein. „Zugleich ist die Treppe als Verbindung zwischen Ober- und Unterstadt auch eng mit unserer eigenen Geschichte verbunden. Denn der Firmengründer spazierte jeden Morgen über diese Treppe – von der alten Werkstatt in der Via Sistina zur neuen in der Via dei Condotti.“ Die Haute Joaillerie des Hauses ist nicht nur von dem charakteristischen italienischen Stilgefühl geprägt, das auch in der Mode, im Automobilbau und im Möbeldesign verkörpert wird. Rom selbst ist die Inspirationsquelle. Der Atem einer zweitausendjährigen, dramatischen Geschichte, der in der Kunst und Architektur der Stadt zum Ausdruck kommt und in den Kollektionen Bulgaris seinen Widerhall findet. Der Boden der Lateranbasilika mit seinen reliefartig gesetzten Platten aus weißem, grauen und schwarzem Marmor wurde in einer Halskette aufgegriffen, die Art, wie die Edelsteine und Diamanten einer Halskette von Bulgari zusammengesetzt wurden, spiegelt die fünfeckige Form der Engelsburg wider, die fächerförmigen Mosaike der Caracallathermen beispielsweise standen Pate für eine spektakuläre Schmuckkollektion, die auf den Namen „Diva“ getauft wurde. Die klare, runde Form der legendären Bulgari-Cabuchons zaubert auf die zarte Frauenhand eine Ahnung von der majestätischen Kuppel der Peterskirche. Die achteckige Elemente, die man in den antiken Tempeln und Kirchen entdecken kann, finden sich am Handgelenk in Form einer kostbaren Uhr.

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Man fragt Römer oft, ob sie nicht von dem Genie der Vergangenheit überwältig sind. Dass die Kreativität der Entwerfer eher beflügelt wird, ist für die Luxusmarke mit Boutiquen in der ganzen Welt zugleich Ausweis der Identität. „Es ist für mich bei meinen Reisen immer wieder aufregend zu erleben, dass dieses kulturelle Erbe in den historischen Gebäuden von Washington, D.C. wie auch zum Beispiel in Paris oder London als Vorbild gewirkt hat.“ Aber auch für Babin laden die Lorbeeren der Tradition nicht zum Ausruhen ein. „Unsere legendäre Kollektion, die römische Münzen integriert, ist wohl ein Beispiel für den Stolz auf über 2.700 Jahre römischer Tradition. Aber ich finde, dass man gerade bei Diva spürt, wie wir die Optik der Caracalla-Mosaike aufgegriffen haben, sie aber durch die Kombination der Farben und Schliffs auf überraschende, kreative Weise interpretieren. “

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Als der griechische Goldschmied Sotirios Voulgaris, der später seinen Nachnamen zu Bulgari – mit dem römischen V – formte, 1881 nach Rom kam, gehörte der Weg über die Spanische Treppe zum Ritual. So haben es auch Gregory Peck und seine Filmprinzessin Audrey Hepburn Jahrzehnte später in „Roman Holiday“ gehalten, als sie mit ihrer Vespa durch Rom flitzten. Elizabeth Taylor und Richard Burton verband ein schillerndes Eheglück, bei dem der regelmäßige Krach bei Bulgari angesichts dieser hochkarätigen Auslagen sofort ein Happy End fand. Wie so viele andere stiegen auch sie im feinen kleinen Hotel Hassler am oberen Ende der Treppe ab. Nicht auszudenken, wenn das alles nicht hätte stattfinden können, weil mehr als zweihundert Jahre zuvor das politische Schicksal einen anderen Weg eingeschlagen hätte. Denn diese Diva unter den Treppen war der Zankapfel zwischen Ludwig XIV und Papst Benedikt XIII. Schon ein Vorgänger des französischen Königs hatte die Kirche oben finanzieren lassen, der Sonnenkönig wollte nun, wie damals üblich, den Anspruch seines Reichs auf dieses Stück Rom mit einem Reiterstandbild krönen. Der Papst setzte dagegen und so blieb es bei einer eher unscheinbaren Gedenktafel. Um klar zu zeigen, wer hier das Sagen hatte, bestellte ein späterer Papst einen Obelisk. Die Grande Nation  protestierte heftig, aber dann kam die Französische Revolution dazwischen. Dieser Obelisk konnte zwar dann aufgestellt werden, aber wenn interessiert der, wenn man auf dieser Treppe nach oben schreitet, sich umdreht, um dieses Panorama auf sich wirken zu lassen. Oder man fährt endlich mal wieder nach Rom und entscheidet sich bei Bulgari für die Halskreation, die man zu Ehren der Wiedereröffnung der Spanischen Treppe kreiert hat. Diese kostspielige Hommage würde die Diva vermutlich anerkennend zur Kenntnis nehmen.

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